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Das Selbstbild der Frauen von heute könnte kaum negativer sein. Und auch immer mehr Männer sind betroffen von dem Kult ums Aussehen. Warum können sich immer weniger Menschen mit ihrem Erscheinungsbild abfinden?
Mit fünf Jahren verstehen Kinder, wie andere Menschen sie einschätzen. Mit sieben Jahren zeigen sie erste Anzeichen von Unzufriedenheit mit ihrem Körper. Kinder – in der Regel Mädchen –, die mit zehn Jahren, also noch vor der Pubertät, ihre erste Diät machen, sind keine Ausnahme. 90 Prozent der erwachsenen Frauen, das hat eine Studie in Großbritannien ergeben, sind mit ihrem Körper unzufrieden – und das bis ins hohe Alter. Junge Mädchen rauchen, um ihren Appetit zu zügeln – und riskieren damit ihre Gesundheit. Einige trinken regelmäßig Alkohol, um lockerer zu werden und ihren Körper besser akzeptieren zu können. Die Hälfte aller 16 bis 21-jährigen Frauen kann sich vorstellen, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen.
Die Medienwelt hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Die Fotos in den Zeitschriften werden mit Bildbearbeitungsprogrammen exzessiv geschönt und geglättet: Cellulite, Falten, Übergewicht, die im realen Leben zu den meisten Menschen gehören, sind tabu. Das Bild von künstlich erschaffener Schönheit wird als real verkauft. Man vergleicht sich nicht mehr mit gleichaltrigen Freunden, sondern mit Kunstprodukten.
Designer lassen Frauen ohne weibliche Attribute über den Catwalk stolzieren, in Kleidern, die allenfalls Kindern passen, aber keinerlei Realitätsbezug zur Durchschnittsfrau mit Kleidergröße 42 haben. So wird ein Bild generiert, das die meisten Frauen selbst bei härtester Disziplin gar nicht erreichen könnten.
Die Zahl der diagnostizierten Essstörungen hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Essen wird in gut und schlecht eingeteilt. Essen wird nicht mehr mit Genuss gleichgesetzt, sondern mit Zügellosigkeit und Disziplinlosigkeit. Würden Diäten wirklich funktionieren, würde eine Diät genügen. Tatsächlich ist es aber so, dass die meisten Frauen durch den Jojo-Effekt nach jeder Diät noch dicker werden – und noch unglücklicher sind.
Modeindustrie, Schönheitschirurgie, Fitness-Center und Kosmetikbranche arbeiten Hand in Hand und verdienen an der Unzufriedenheit der Frauen (und Männer). Nicht nur Essstörungen, sondern auch Depressionen, die auf einem gestörten Selbstbild beruhen, haben rasant zugenommen.
Was kann man tun, um sich aus der Körperkult-Falle zu befreien? Wer sich bewusst macht, dass Zeitschriften ein Ideal verkaufen, hat viel gewonnen. Viel wichtiger als ein perfekter Körper ist ein robustes Selbstwertgefühl und die Erkenntnis, dass nicht der Body Mass Index den Wert eines Menschen bestimmt. Daran lohnt es sich zu arbeiten. Jemand, der sich seiner menschlichen Stärken bewusst ist, ist weit weniger anfällig für den Körperkult.
Auch wenn Attraktivitätsforscher viel Arbeit in die Ermittlung des perfekten Körpers stecken, das, was dem Mann und der Frau auf der Straße gefällt, ist noch immer Geschmackssache. Schönheit offenbart sich nicht in Äußerlichkeiten. Erst wenn man einen Menschen kennt, kann man seine Schönheit begreifen. Die Hülle ist vergänglich, Humor und Lebensfreude aber halten jung und sind auch jenseits aller Äußerlichkeiten schön.